meine kinder - deine kinder

Wenn ich nur wüsste, was ich lernen muss!

 

Dieser Gedanke kreiste während meiner Zeit als Patchworkmama immer wieder durch meinen Kopf. Ich hatte eine Ahnung, dass die Dinge immer für uns geschehen und nicht gegen uns, mehr aber auch nicht. Ich suchte nach einer Antwort, ich wollte einen Sinn erkennen, aus dem ich Kraft für meine zermürbende Lebenssituation schöpfen konnte.  Ich sagte immer wieder zu meinem Mann:

"Ich fühle mich wie ein Fisch, der einen leckeren Köder geschluckt hat, und jetzt zappelnd und hilflos am Haken hängt und um sein Leben zittert."

 

Und nun mal von Anfang an:

Ich arbeitete als Einsatzleiterin im Hospizverein und wurde vom Krankenhaus informiert, dass es da eine Familie gibt in der die Mutter im Sterben liegt. Mit so einer Situation war ich noch nie konfrontiert worden und mein Verstand lieferte mir schlimme Bilder. Eine junge sterbende Frau, drei kleine trauernde Kinder, ein überforderter Vater und ich war nervös und unsicher ob ich dem gewachsen sein würde.

Der Vater, mit dem ich nun seit 13 Jahren verheiratet bin, rief mich ebenfalls an und bat um Unterstützung, da seine Frau Zuhause sterben wollte. Bereits unser erstes Telefonat war magisch. Ich hörte seine Stimme und alle Aufregung war verflogen. Obwohl ich mich glücklich verheiratet fühlte, ein wunderschönes Leben genoss, war da eine Anziehung zu Harald, die sich nicht stoppen ließ.

Ich kam zum Erstgespräch in das Haus der Familie und keines meiner Bilder entsprach der Realität. Obwohl der Körper der Mutter bis auf die Knochen abgemagert war und es deutlich zu sehen war, dass sie nur noch einige Tage leben wird, war an dieser Situation nichts, aber auch gar nichts, tragisch oder bedrohlich. Weder waren die Kinder in Trauer, noch war Harald überfordert. Im Schmerz ja, jedoch nicht überfordert.  Alles fühlte sich  so natürlich an, wie von höherer Stelle arrangiert.. Heute kann ich sagen: "Ich wurde zu meinem Platz geführt!" Ich begleitete Haralds Frau in ihren letzten Tagen und fühlte mich sehr mit ihr verbunden. Ich lag in ihrem Bett, hielt sie im Arm und sie fragte mich: "Magst du die Mama für meine Kinder sein?" Ich gab dieser Frage keine Bedeutung und ich gab  auch keine Antwort. Ich war ja glücklich verheiratet, hatte einen 9jährigen Sohn und gleichzeitig fühlte ich mich extrem zu Harald und dieser Familiensituation hingezogen. Elfriede lebte noch drei Tage, und bereits eine Woche nach ihrem Tod waren Harald und ich ein Paar. Nicht in sexueller Hinsicht, sondern wir konnten beide an nichts anderes mehr denken, als unser Leben gemeinsam zu verbringen.

Natürlich schaltete sich mein Verstand ein und erzählte mir, dass ich verrückt wäre, mein bequemes Leben gegen ein Patchwork-

leben mit vier Kindern, 7, 9, 9 und 13 Jahre einzutauschen. Und auch Harald hatte Bedenken, ob wir das Richtige tun. Heute weiß ich, dass wir da gar nichts mitzureden hatten. Das war alles nicht unsere Angelegenheit. Bis über beide Ohren verliebt und mit einem Selbstbild der liebenden Frau, deren Liebe für vier Kinder reicht, ging ich in diesen neuen Lebensabschnitt. Innerhalb vier Wochen zog ich mit meinem Sohn  um und bereits drei Monate später zog Harald mit seinen drei Kindern zu uns.

Mein Anspruch war, so schnell wie möglich zu einer "normalen" Familie zusammen zu wachsen. Ich wollte lieben, lachen und leben. Die Realität war komplett anders.

 

Ich übersah nämlich:

  • meine eigene unverarbeitete Trauer über die Scheidung
  • die Trauer meines Sohnes, der ein intaktes Elternhaus verlor
  • dass meine Stieftöchter nicht nur ihre Mama, sondern im Grunde auch ihren Papa verloren hatten
  • dass eine solche Situation Zeit braucht
  • und vor allem, dass ich nicht dafür verantwortlich bin.

Ich überforderte mich permanent und gefühlt verschwand das Lieben, das Lachen und das leichte Leben. Ich konnte mit den Tränen der Kinder umgehen, jedoch nicht mit ihrer Verschlossenheit, mit ihrer Wut, mit ihrer Erwartungshaltung an mich. Die Kinder waren bereits geprägt von einem komplett anders denkenden Menschen und viele ihrer Verhaltensweisen nervten mich, stießen mich ab. Geplagt von meinen eigenen Urängsten vor Minderwertigkeit, Trennung und Kontrollverlust konnte ich nicht gut für mich sorgen.

Ich fühlte mich ständig falsch und verhielt mich unehrlich den Kindern gegenüber. Ich bewertete sie, verurteilte sie,  verachtete mich selbst für dieses Verhalten. Durch das Bewerten der Kinder, trennte ich mich innerlich von ihnen und das löste ein riesiges schlechtes Gewissen aus. Sie hatten doch ihre Mama verloren. Ich wollte sie doch lieben. In der Liebe fühlte ich mich richtig, nicht im Ärger, in der Frustration und Hilflosigkeit. Und aus dem schlechten Gewissen heraus, verausgabte ich mich erneut. Ich litt häufig unter unterschiedlichen Krankheitssymptomen und  fühlte mich wie in einem Gefängnis..  Ich suchte nach Lösungen und Unterstützung. Es gab damals kaum Bücher zum Thema Patchworkfamilie und so gründete ich eine Selbsthilfegruppe.  Ohne Führung gestalteten sich diese Gruppentreffen jedoch zu einem regelmäßigen Gejammer und Anklage gegen die Kinder und ich löste die Gruppe wieder auf. Harald und ich wurschtelten uns irgendwie durch diese Jahre. Wir suchten auch therapeutische Hilfe mit dem Ergebnis, dass wir uns nach diesen Sitzungen noch schlechter fühlten als vorher. Niemand erforschte mit uns die Ursachen unseres Dramas. Die Ursache waren nämlich meine ungeprüften Gedanken über mich und die Kinder. Damals glaubte ich noch was ich dachte.

Alle Gedanken formulierten sich in etwa so:

  • Ich darf nicht Nein sagen.
  • Ich muss sie lieben, wie meinen eigenen Sohn.
  • Wenn ich sie nicht liebe, bin ich die böse Stiefmutter.
  • Ich muss es schaffen.
  • Ich bin verantwortlich, dass es ihnen gut geht.
  • Ich bin nicht gut genug.
  • Sie sollten nicht so verschlossen, so fordernd, so schlampig sein....
  • Sie sollten dies nicht sagen, jenes nicht tun.

Ich könnte diese Gedanken noch endlos weiterführen. Ich war in einem verurteilenden Gedankenkarussell über mich und die Kinder gefangen. Mir war schon längst schlecht, ich schaffte es jedoch nicht es anzuhalten und auszusteigen.

Bereits damals kaufte ich mir Katie´s Buch: Lieben was ist. Das war es, was ich wollte und was soll ich sagen? Ich konnte nichts mit den vier Fragen anfangen. Was mich gerettet hat, war die tiefe Liebe zwischen meinem Mann und mir. Auch wir standen ein paar Mal vor dem Aus und wollten uns trennen. Doch die Vorstellung getrennte Wege zu gehen, war viel zu schmerzhaft und wir gingen gemeinsam weiter. Unsere Situation löste sich, in dem die Kinder nach und nach auszogen und in ihr Erwachsenenleben starteten.

Wir sind nicht zu einer "normalen" Familie zusammen gewachsen. Zu Harald´s Kindern besteht wenig Kontakt und gleichzeitig ist da diese Gewissheit, dass wir dennoch eine Familie sind. Keine "Sparkassenbilderbuchfamilie" sondern die Familie Jerzyna-Girse, die in der Not auf alle Fälle zusammenhalten wird.

 

 

heute weiss ich was meine LERNaufgabe war ♥

  • ich darf Nein sagen
  • Liebe kann man nicht machen
  • jeder Mensch ist in seiner Einzigartigkeit perfekt
  • Familie ist kein starres Konzept. Wir alle haben eine bestimmte Vorstellung von Familie entwickelt, wie es sein  müsste. Wenn die eigene Situation davon abweicht, setzen wir uns unter Druck und überfordern uns selbst, sowie den Rest der Familie.
  • Patchwork bietet eine wunderbare Gelegenheit um zu reifen und daran zu wachsen.
  • Niemand war schuld oder verantwortlich.
  • The Work in mein Leben zu integrieren und andere Menschen damit zu begleiten

Ich möchte meine Erfahrungen aus dieser Zeit nutzen, um betroffene Paare und Familien zu unterstützen. Ich weiß, wie es sich anfühlt am liebsten davon laufen zu wollen.

Ich weiß heute jedoch auch, was die Ursache für dieses Leid war und ich kann Betroffenen einen Weg aus dem selbst erbauten Gefängnis zeigen. Wir haben dieses messerscharfe Werkzeug: The Work of Byron Katie.

Mein Wunsch ist es, dass Patchworkeltern sich wieder neu ineinander verlieben, gemeinsam diese Zeit meistern und dass Patchwork-

kinder frei und geliebt in dieser modernen Familienkonstellation aufwachsen dürfen. Dass wir lernen, unsere Vorstellungen von einer perfekten oder wenigstens normalen Familie zu überprüfen und uns trauen unseren ureigenen Weg zu gehen.

 

Meine Unterstützung biete ich im Einzel-Paar- und Familiencoaching an.